Mindener Tageblatt | 03. August 2005

Starrer Auftritt ganz in Weiß

Einzug auf die Wartburg mit 500 Statisten im Mindener Stadttheater
zur Tannhäuser-Inszenierung

Von Ulrike Mißbach

Minden (mt). Die Mienen sind gespenstisch und der Gang und die Haltung absolut starr. Rund 500 Mindener Statisten - die alle komplett weiß gekleidet sind - beherrschen ihre Rolle perfekt.

Lächeln ist nicht erwünscht und auch kein emsiges Getue. „Sie sind sehr, sehr cool", betont Regisseur Keith Warner, der für das Mindener Stadttheater Wagners Tannhäuser-Oper inszeniert.

Die 500 Statisten sind für diesen großen Auftritt eigens am Sonntag in weißer Kleidung ins Stadttheater gekommen. Sie stellen den berühmten Einzug auf die Wartburg, der höfischen Gesellschaft dar, die absolut prüde und starr ist und von Tannhäusers wahrer Liebe nichts wissen möchte. „Sie haben keine Menschlichkeit", unterstreicht noch einmal der Regisseur. Und damit auch alle wissen, worum es geht, stellt er sich zur Demonstration ganz starr, mit eng am Körper anliegenden Armen, auf die Bühne. „Sehen Sie so", erläutert er.


Großer Auftritt für 500 weiß gekleidete und geschminkte Statisten für die Tannhäuser-Oper im Mindener Stadttheater. Foto: Bertram Schulte

Vor ihrem großen Auftritt wurden die Statisten von 20 Maskenbildnern weiß geschminkt. „Die blassen Gesichter sollen die Starrheit dieser Menschen zusätzlich unterstreichen", erläutert die Vorsitzende des Wagner-Verbandes, Dr. Jutta Hering-Winckler, die jeden Besucher persönlich begrüßt.

Während bei den meisten Inszenierungen der Opernchor

diesen Part übernimmt, hatte Warner die Idee, das Theaterpublikum selbst in das Spiel zu integrieren. „Bei Wagner gibt es immer so viel Musik, dass es ein Regisseur schwer hat, die Inszenierung über so einen langen Zeitraum spannend zu halten", erläutert der Engländer.

Spezialkamera hält großen Auftritt fest

Mit einer Spezialkamera hält die bekannte Filmemacherin Eva Ruck den Einzug der 500 weißen Gestalten in den Theaterraum fest. Das Video wird später in das Bühnenbild integriert und zur Originalmusik abgespielt.

Doch vor dem Erfolg haben die Götter bekanntlich den Schweiß gestellt. Und so reicht es selbstverständlich nicht, dass nach einer ersten Probe und einem anschließenden ersten Dreh alles schon im Kasten ist. „In der fünften Reihe trägt ein Mann eine Jacke, die nicht weiß, sondern grau ist, können Sie etwas rein Weißes anziehen", bittet Wolly Sutcliff, Assistent von Keith Warner. (Für Statisten, die selbst keine weiße Kleidung tragen, haben die Mindener Si-Betriebe entsprechende Hosen, Hemden und Jacken zur Verfügung gestellt). In Reihe 13 soll eine Frau eine dunkle Tasche vom Sitz nehmen und zwei Kinder im Parkett müssen auf etwas erhöhten Sitzen Platz nehmen, da man sie ansonsten nicht sieht. „Wir schnattern außerdem beim Hereinkommen nicht mit unseren Nachbarn, sondern sind absolut still", ermahnt Keith Warner alle noch einmal.

Und dann heißt es erneut „Kamera läuft..." In kleinen Gruppen schickt Wally Sutcliffe die Leute nach und nach in den Theaterraum. Wie ein Wiesel läuft er dabei von einer Seite zur anderen und gibt mit einer stillen Geste seine Anweisungen. Die Statisten sollen zügig, aber nicht hastig gehen und sich dann langsam hinsetzen. Auf ein stilles Zeichen von Keith Warner müssen sie dann noch einmal aufstehen, für einen kurzen Augenblick in dieser steifen Haltung verharren, um dann langsam wieder Platz zu nehmen. Diese Szene ist für die Begrüßung des Großherzogs und seiner Nichte.

Alles noch einmal mit anderem Licht

„Das war schon alles wunderbar", lobt Warmer seine inzwischen schon etwas müde wirkenden Statisten. „Sie „sind schon fast so perfekt wie mein Opernchor in Bayreuth." Da er aber die Szene noch einmal in einem etwas anderen Licht benötige, müsse alles noch einmal gedreht werden.

Gesagt getan. Und wieder ziehen die 500 Männer, Frauen und Kinder mit starren Blicken in den Theaterraum, nehmen Platz, stehen nach einer Weile wieder auf, um sich dann erneut hinzusetzen. „Wunderbar!" ruft Warner, „aber leider ist uns auf der Bühne jemand durchs Bild gelaufen." Wahrheit, oder will er seine Statisten nur bei Laune halten? Niemand weiß es so genau, aber geduldig spielen die weißen Statisten erneut ihren Part. Und dann heißt es endlich für alle. „Das war's".

Zum Dank erhalten alle Statisten von der Vorsitzenden des Wagner-Verbandes eine Karte für die Generalprobe am 19. Oktober. Die Premiere ist dann für den 23. Oktober anberaumt.

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