„Wichtiger als die großen Säle“
Keith Warner inszeniert „Tannhäuser"
Von Ursula Koch
Minden (mt). Die Tatsache, dass Minden eine kleine Stadt ist, schreckt Opernregisseur Keith Warner keineswegs, sondern scheint ihn vielmehr noch zu beflügeln. „Das hier ist wichtiger als die großen Säle. Das ist eine Gelegenheit für Minden", sagt der Londoner. In einer Serie stellt das MT die Menschen vor, die auf und hinter der Bühne an der Produktion beteiligt sind.
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Keith Warner inszeniert in Minden „Tannhäuser". MT-Foto: Monika Jäger
Zwischen den Bayreuther Festspielen und seiner nächsten Produktion in London machte er einen ersten Proben-Zwischenstopp an der Weser. Und er formuliert für sich den Anspruch, hier eine „Tannhäuser"-Inszenierung abzuliefern, die qualitativ auch in London oder New York bestehen könnte. Das sagt jemand, der sich an diesen Häusern auskennt. Seine „Lohengrin"-Interpretation für die Bayreuther Festspiele überzeugte das Publikum ebenso wie die Kritiker. In Tokio und am Royal Opera House in Covent Garden inszenierte er Richard Wagners kompletten „Ring". Mit Warner ist ein Wagner-Spezialist am Werk, der sich schon früh für das Werk des deutschen Komponisten begeistern ließ, aber nicht allein auf Oper abonniert ist, sondern führte auch Regie bei Schauspiel und Musical.
Die Bühne in Minden findet der weit gereiste Theatermann interessant: „Die Sänger sind dem Publikum sehr nahe. Das ist so, wie Wagner es gewollt hätte." Die Darstellung der Opernsänger sei inzwischen so gut, dass man sie in jedem Fall im Detail sehen müsse, unterstreicht Warner und gibt damit
zu erkennen, dass sich eine gute Oper eben nicht allein durch die sängerischen Qualitäten auszeichnet. Darum werde er die Oper wie ein Theaterstück mit Musik inszenieren.
Wie wichtig dem Regisseur die Psychologie der einzelnen Personen ist, das erlebten die Sänger bereits während der ersten Probenwoche in Minden. „Keith Warner erläutert seine Auffassung sehr genau", berichtet die Mindener Sopranistin Susanne Eisch, die den Hirten spielen wird.
In Bayreuth sehe man allerdings nur die Sänger auf der Bühne, während in Minden auch Orchester und Chor auf der Bühne platziert sein werden, weist Warner auf einen gravierenden Unterschied hin. Das ergebe durch das Bühnenportal einen leicht gedämpften Ton und sei damit nicht so weit von der Akustik im Bayreuther Festspielhaus entfernt.
Für Minden will er etwas Neues, etwas Besonderes, erschaffen. Und so erzählt er, dass er bereits bei seinem ersten Besuch im Stadttheater die Vision von den weißen Leuten hatte. Ihm sei sofort klar gewesen, der Zuschauerraum müsse Teil des Bühnenbildes sein. Das bereits vor einigen Wochen mit mehr als 400 Statisten entstandene Video wird die Sängerhalle im zweiten Akt darstellen.
Die so genannte Pariser Fassung ist für Warner die Grundlage. Das sei einerseits Wagners letzte Idee von Tannhäuser gewesen, die dem Zuschauer auch mehr Information über die Figur der Venus und des Tannhäusers biete. „Es ist die erwachsenere, die reifere Fassung" im Vergleich zu der Dresdener. Der Venusberg verkörpert für Warner Begriffe wie Sensualität, Weiblichkeit, Emotion, während der Landgraf-Palast für religiöse Atmosphäre, den Vater, die Reinheit stehe. Tannhäuser lebe dazwischen. „Wir leben in einem ewigen Kampf mit diesen beiden Polen. Weder die eine noch die andere Seite ist die Antwort. Man muss den Mittelweg finden", ist seine Überzeugung. Davon, aktuelle Bezüge herzustellen, hält der Brite wenig. „Für mich ist das unpoetisch. Kunst muss eine objektive, tiefe Realität darstellen."
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