Riesiger Venus-Rock und feuerfester Pflaumenbaum
Matthias Schwarz aus Warmsen und Rainer Hohendorf bauen in dieser Woche die Kulissen für das Bühnenbild des Mindener „Tannhäuser"
Von Monika Jäger
Minden (mt). Bühnenmeister Michael Kohlhagen reibt sich den Kopf. Er ist gar nicht glücklich. Gerade hat er die Treppe ausprobiert, die neuerdings vom Orchestergraben bis hinauf in die Loge im 1. Rang führt. Dabei hat er schmerzhafte Bekanntschaft mit dem Rundbogen gemacht.
Bühnenmeister Michael Kohlhagen begutachtet die „Tannhäuser"-Aufbauten. Rechts die steile Treppe vom Orchestergraben bis zur oberen Loge.
MT-Fotos: Manfred Otto
„Da muss so schnell wie möglich rotweißes Warnband und Schaumstoff hin", sagt Matthias Schwarz ernsthaft. Ändern kann der Kulissenbauer das jetzt nicht mehr. Da müssen sich die Darsteller dann eben vorsehen.
Eben noch stand Schwarz oben auf dem kleinen Lift und hängte Vorhänge auf, hat danach die extra konstruierte Treppe begutachtet. Sein nachdenklicher Blick gilt jetzt dem roten Podest, das schräg verkeilt als „Hohe Halle" den Orchestergraben quert. „Jason Southgate - der Bühnenbildner -war gerade aus dem Auto gestiegen, guckte nur das Podest an und sagte ,stairs!'", schildert Schwarz. „Also denken wir jetzt über Stufen nach."
Das Orchester und der Chor werden in der Tannhäuser-
lnszenierung im hinteren Bühnenraum sein.
Das allerdings wird nicht so einfach. Nicht nur, dass damit das sowieso schon überzogene Budget für die Kulissen weiter belastet wird. Die drei, vier Stufen von der Bühne zum Podest sind auch nicht gerade eine kleine Änderung. Da, wo der Tritt stehen müsste, darf nämlich nichts stehen. Da muss Platz für den Eisernen Vorhang bleiben, der sich bei Gefahr selbstständig senkt. Einzige Chance: Eine Klappe in den Vorhang, die da automatisch aufspringt, wo die Stufen sind...
Genug Gesprächsstoff für die beiden Kulissenbauer aus dem Mühlenkreis in den aktuellen Besprechungen mit Bühnenbildner Jason Southgate. Sehr viel geredet haben die drei bisher nicht. Jetzt werden in dieser Woche die Kulissen endgültig aufgebaut - und jetzt muss alles passend abgestimmt werden. Hauptsächlich arbeiteten Schwarz und Hohendorf bislang nach Zeichnungen des britischen Bühnenbildners. Persönliche Absprachen waren schwierig - „als Southgate zuletzt da war, gab es keinen Dolmetscher." (Schwarz).
Rainer Hohendorf (I.) und Matthias Schwarz mit dem feuerfesten Pflaumenbaum. Dieser wird im Stück die brennende Esche sein.
Aber die Skizzen des Designers sprechen eine Sprache, die die Kulissenbauer bestens verstehen. „Die Zeichnungen waren einfach gut", sagt Schwarz. „Den Rest muss man sich dann eben selber ausdenken." Und damit hat Schwarz Erfahrung. Der 39-Jährige arbeitete am Musiktheater Friedrichshafen und war neun Jahre am Theater Frankfurt, bevor er sich mit der ganzen Familie - Frau und drei Kindern - auf einem Hof in Warmsen niederließ. Da leben Schwarzens jetzt mit Hund, Pferd, Schafen und Hühnern. Schwarz sucht sich seine Projekte, wo immer er sie findet.
Für den Mindener „Tannhäuser" hat er sich aufgrund eines MT-Artikels beworben. „Da war ein Modell der Bühne abgebildet", sagt er. „Ich dachte mir: Die haben bestimmt noch keinen Kulissenbauer, und habe einfach angerufen." Er reichte einen Kostenvoranschlag ein, es folgte ein Gespräch - und die heimischen Fachleute hatten den Auftrag in der Tasche.
Schwarz und der Petershäger Tischlermeister Rainer Hohendorf (45) haben schon öfter zusammengearbeitet - jetzt aber erstmals für ein Bühnenbild. Für Hohendorf ist dies das erste Kulissenbau-Projekt.
Theaterleiter Bertram Schulte hatte die Idee, das
MT-„Stadtgespräch" in den Tannhäuser-Kulissen
stattfinden zu lassen.
Was ist anders am Bühnenbauen? „Es gibt hier vieles, was möglich gemacht werden muss." Gestaltung und Ausführung würde er im Normalfall so niemals machen, da auf der Bühne die Bedürfnisse ganz anders sind. Wie zum Beispiel die große Treppe. Die ist aus dramaturgischen Gründen teilbar. „Das ist so ein Ding, das gibt es eigentlich gar nicht", sagt Hohendorf. „Da braucht man jede Menge handwerkliche Kreativität." Und gute Ideen. „Mir ist gleich eine Lösung eingefallen", sagt Schwarz. „Der Statiker gab auch sein Okay." Dann hat er allerdings auch noch mal bei alten Bekannten gefragt: Der Technische Direktor des Frankfurter Theaters gab Tipps.
Welche Lösungen das Kulissenbauer-Team findet, ist weitgehend egal - „Hauptsache, das funktioniert so, wie es soll." Dafür, dass alles funktioniert, griff auch Schwarz' Mutter Irmgard mit zu. Sie nähte die langen schwarzen Vorhänge und das Bodentuch. Von Bekannten lieh Schwarz dazu die Industrienähmaschine.
Bodenständig ging's auch zu, als der „brennende Baum" zu besorgen war. Eine Esche geht im Tannhäuser dramatisch in Flammen auf. „Feuer auf der Bühne - fast ein Unding", sagt Hohendorf. Erst einmal musste der Baum her. Gespräche mit Kunstbaumbauern wurden geführt. Doch jetzt ist ein echter Baum auf der Bühne. „In einem Feld in Warmsen, da stand dieser abgestorbene Pflaumenbaum." Der schien perfekt: Die Krone ist so geformt, wie sie in Southgates Zeichnungen die brennende Esche haben sollte. Die Äste sind schön dick.
Schwarz holte sich vom Besitzer die Erlaubnis, mobilisierte den Nachbarn mit dem Trecker und hatte seine „Esche". Dann war der Pyrotechniker dran. Der experimentierte mit dem inzwischen in feuerfeste Flüssigkeiten getränkten Baum. Jetzt funktioniert die Sache.
Oder der „Rock" der Venus. Ein großes Gestell musste hier gebaut werden - dreimal änderten die beiden nach den Wünschen der Inszenierung: Mal mit Treppe, mal mit Tür, zuletzt ohne Tür. „Am häufigsten haben wir aber am Podest geändert -insgesamt fünfmal bisher", so Schwarz. Und wenn das jetzt noch seine Stufen bekommt, wäre das die sechste Änderung.
Das Bühnenbild steht jetzt -nun können die Proben in den Kulissen beginnen. Am 21. Oktober hat der Mindener „Tannhäuser" Premiere. Für diese sowie die sieben weiteren Vorstellungen bis zum 9. November sind höchstens noch Einzelkarten zu bekommen.
Rund um die Produktion des Mindener „Tannhäuser" wird es beim Stadtgespräch des Mindener Tageblatt am Sonntag, 23. Oktober, 11 Uhr, im Stadttheater Minden gehen. Eingeladen sind Stargäste aus dem Ensemble - zugesagt haben bereits John Pierce („Tannhäuser") und Anne Schwanewilms („Elisabeth") sowie die Mindener Sopranistin Susanne Eisen („Ein junger Hirte").
Auch viele von denen, die die Produktion auf die Bühne gebracht haben, werden dabei sein - unter anderem Schülerinnen des Rats-Tanzprojekts. Es gibt Szenen vom „Weißen Sonntag" zu sehen, Musik zu hören und - besonderer musikalischer Höhepunkt - der Chor der Richard-Wagner-Gesellschaft Sofia wird auftreten.
Der Eintritt ist frei. Karten für diese Veranstaltung (maximal vier pro Person) gibt es ab Samstag, 1. Oktober, bei „Express - Reisen / Tickets / Zeitschriften", Obermarktstraße 28 - 30, Telefon (0571) 88277 und beim Ticketshop der Minden Marketing GmbH, Domstraße 2, Telefon (0571) 9119111..
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