Mindener Tageblatt | 15. Oktober 2005


„Bei Wagner geht es ums Erleben"

„Tannhäuser"-Dirigent Frank Beermann

Von Udo Stephan Köhne

Minden (usk). Frank Beermann ist ein Mann der klaren Worte und prägnanten Aussagen. Wenn man ihn sprechen hört, meint man eine Ähnlichkeit mit seiner Art des Musizierens zu erkennen. Wer Beermanns Beethoven in Bad Salzuflen gehört hat, wird verstehen, was gemeint ist.


Frank Beermann Foto: Köhne

Schnörkellos und direkt kam Beethoven dort beim alljährlichen Festival über die Rampe, dazu mit einer den Zuhörer anspringenden Impulsivität. Man fühlte sich auf eine Beethoven-Reise mitgenommen. Etwas Ähnliches möchte der bekennende Wagner-Fan Beermann auch mit seinem Dirigat des „Tannhäuser" erreichen. „Es geht ums Erleben" sagt er über Wagners Oper. „Wagner muss man nicht verstehen." Denn das Erleben funktioniere auf direkte Art, „ob und welchen Schluss man dann zieht, ist egal".

Tannhäuser als Musiktheater für alle, die das Zuhören nicht verlernt haben und offen sind, so versteht Beermann das Mindener Projekt. Und er bringt einen Vergleich: „Bei Mozart geht dieses Erleben nicht, da muss man ein bisschen* dahinter -l schauen." Auch Mozart liebt der Dirigent Beermann übrigens. Aber mit Wagner ist er groß geworden. Er erzählt von Langspielplatten mit Hans Knappertsbusch, die er als Kind gehört hat: „Unreflektiert aufgelegt und schön gefunden" lässt er uns wissen. Den Parsifal hat er sich mit zwölf Jahren am Klavier „mit großer Begeisterung zusammengefingert".

Diese Musik „lag mir unheimlich nahe", sagt Beermann heute über diese Zeit. So nahe, dass er die ersten Wagner-Angebote gar nicht angenommen hat, sondern den Weg durch das italienische Repertoire gegangen ist. „Ich habe jahrelang einen großen Bogen um Wagner gemacht, weil ich für mich das Gefühl hatte, mit Wagner so eng verbunden zu sein, dass ich keinen freien Blick auf die Musik fand." Jetzt glaubt Beermann wieder einen Zugang zu haben.

In Minden wird er den „Tannhäuser" in der Pariser Fassung dirigieren. In der heißen Vorbereitungsphase ist Frank Beermann ständig anwesend; er wohnt für die nächsten Wochen auch in Minden: Gelegenheit, Minden lieben zu lernen? „Ich finde die Mindener Atmosphäre schwer einzuschätzen", räumt Beermann ein. In anderen Städten lerne man schneller die kommunale Gewichtung etwa von Industrie, Kultur etc. kennen. Hier erstaunt ihn vor allem der große Lokalteil der Tageszeitung. Großartig findet er es, dass das „Wagner-Projekt in aller Munde" ist. Dass gleichzeitig die Minden-Marketing gar nichts aus dem „Tannhäuser" gemacht hat, findet er enttäuschend. Deutliche Worte kommen zu diesem Thema: „Ich kann überhaupt nicht verstehen, warum von offizieller Seite der Tannhäuser nicht als Werbung für die Stadt genutzt wird."

Beermann verweist auf die international renommierten Beteiligten wie Anne Schwanewilms und Keith Warner und die damit verbundene überregionale Ausstrahlung. Und bringt das Beispiel Bamberger Opernsommer. Dort gehe es weniger hochkarätig zu, aber ein Plakat am Bahnhof gibt bekannt, wie willkommen die Festival-Gäste sind: „Es gibt offenbar einen Bruch zwischen dem kulturellen Bedürfnis und der Angebotsgestaltung der Stadt" resümiert der Dirigent.

Den Vorbereitungen zum Tannhäuser indes schadet das nicht. Und auch an weiteren Projekten arbeitet Beermann selbstverständlich bereits. Zwischen Gespräch und Fototermin ruft Dietrich Hilsdorf an, mit dem Beermann in Leipzig eine neue „Entführung aus dem Serail" im Januar herausbringt. Dann erscheint auch eine Gesamtaufnahme der Mozart-Klavierkonzerte. Darüber hinaus steht das Debüt beim Bruckner-Orchester Linz an und Alban Bergs „Lulu" wartet. Wann und wo? Da schmunzelt Beermann j„und schweigt. In 20 Minuten feeginnt die Nachmittagsprobe. Jetzt ist erst einmal „Tannhäuser" angesagt.

Rund um die Produktion des Mindener „Tannhäuser" wird es beim Stadtgespräch des Mindener Tageblatt am Sonntag, 23. Oktober, 11 Uhr, im Stadttheater Minden gehen. Eingeladen sind Stargäste aus dem Ensemble und der Chor der Richard-Wagner-Gesellschaft Sofia wird auftreten. Der Eintritt ist frei. Karten für diese Veranstaltung (maximal vier pro Person) gibt es bei express, Obermarktstr. 28 - 30, und Ticketservice, Domstr. 2.

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