"Typische Strauss-Stimme"
Begegnung mit Anne Schwanewilms bei den "Tannhäuser"-Proben
Minden (usk). Eine Begegnung mit Anne Schwanewilms ist eine Begegnung mit der großen und weiten Welt der Oper. Die deutsche Sopranistin spricht deshalb auch nicht über Auftritte in Detmold, Lübeck oder Regensburg, sondern über musikalische Begegnungen in Mailand, London, Glyndebourne oder Santa Fe.
Von Udo Stephan Köhne
Sie ist ein Aushängeschild der Mindener "Tannhäuser"-Produktion, auch wenn sie nur zwei Vorstellungen singt (21. und 23. Oktober). Aber ihretwegen dürfte mancher den Weg nach Minden suchen, auch mancher Kritiker. In Minden ist ihr Debüt als Elisabeth; wie einige andere Größen der Opernwelt auch, hat sie sich einen kleinen Ort für das Erproben einer neuen Rolle ausgesucht.
Anne Schwanewilms singt und spielt heute und am Sonntag
die Elisabeth im Mindener "Tannhäuser". MT-Foto: Amtage
Natürlich wird sie die Elisabeth auch anderswo singen. Genau weiß Anne Schwanewilms das zunächst gar nicht. Sie forscht in ihrem Gedächtnis, dann fällt ihr Dresden 2007 ein und ein weiteres Haus im Ausland. Dass sie ins Nachdenken kommt, ist nicht verwunderlich bei einem Terminkalender, der bis 2009 reicht. "2008 ist bereits halb voll", berichtet sie.
Die Rolle der Elisabeth empfindet sie als einen "recht bequemen Gang". Sie verweist auf die Höhe der Partie und ihre Fähigkeit, diese Höhe mit Leichtigkeit zu halten. Und genau aus diesem Grund verspürt Schwanewilms auch keinen Drang, etwa die Rolle der Venus zu gestalten oder aber beide Frauenpartien gleichzeitig zu singen. Sie erinnert an Angela Denoke, die das jüngst an der Staatsoper "Unter den Linden" getan hat und stellt dann fest: "Das kann gut gehen, aber nicht mit meiner Stimme".
Überhaupt ist die bereitwillig und offen über die Opernszene nachdenkende Sängerin eine auch in eigener Sache klar und stimmig argumentierende Betrachterin ihres Organs. "Ich habe eine typische Strauss-Stimme", sagt sie, nachdem sie gefragt worden ist, warum sie so häufig als Ariadne, Chrysothemis, Arabella und Capriccio-Gräfin anzutreffen ist. Keine Gefühlsduseleien über die Schönheiten der Partien vernimmt man, sondern nüchterne Fakten: "Ich komme einfach gut über das Orchester hinweg."
Anwandlungen zu dramatischeren Partien hat sie vorläufig abgebrochen. "Ich bin ein jugendlich-dramatischer Sopran mit lyrischer Qualität". So die knappe Selbstbeschreibung der Schwanewilms. Die Leonore ("Fidelio") und die Sieglinde ("Die Walküre") hat sie deshalb aus dem Repertoire genommen. Auch das stellt sie vergleichsweise sachlich fest. Natürlich sei Fidelio eine wunderbare Oper, aber deren "Tiefe ist nicht meine Stärke".
Dass sie häufiger unbekannte Opern singt, empfindet sie als selbstverständlich. "Ich singe was mir liegt. Auf die Verwertbarkeit im Opernalltag achte ich dabei nicht." Verständliche Haltung einer Sängerin, die mit dieser Strategie Erfolg hatte. Euryanthe aus Carl Maria von Webers gleichnamiger Oper und Grete ("Der ferne Klang") brachten ihr den Titel der "Sängerin des Jahres 2002". Sie erinnert darüber hinaus an den Riesenerfolg der "Gezeichneten" bei den Salzburger Festspielen 2005. "Das Publikum ist aufgeschlossener, die Kritiker übrigens auch...", weil Hör- und Sehgewohnheiten nicht festgefahren sind.
Davon ist Anne Schwanewilms überzeugt, die beim Studium neuer Partien auch Aufnahmen von Kolleginnen hört. "Klar" ruft sie da, um schließlich zur Rolle der Mindener Wagner-Verbands-Vorsitzenden Dr. Jutta Hering-Winckler zu kommen. Ihre "superpositive Energie mit langen Atem" findet die Sopranistin "unbeschreiblich." Außerdem sieht sie eine Steigerung der Lebensqualität in Minden durch den "Tannhäuser" erreicht. "Eine bessere Heranführung an Oper kann man sich nicht wünschen." Über die Produzentin sagt sie noch, dass sie "ein Geschenk für Minden" sei. Und während sie ihr Fahrrad aufschließt, bittet sie den Berichterstatter um Daumendrücken für die heutige Premiere, "damit nichts passiert". Versprochen.
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