„Mit Wagner ist es nie langweilig
Jutta Winckler produziert, Starregisseur Warner inszeniert den „ Tannhäuser" in Minden
VON REINHARD GÜNNEWIG
Minden. Auf dem Tisch liegt der endgültige Plakatentwurf -ein Frauengesicht, vertikal geteilt, montiert aus zwei unterschiedlichen Porträts. Daneben, eingetroffen aus England, steht das Modell des Bühnenbilds, entworfen von Jason Southgate. Jutta Winckler hantiert mit den filigranen Figürchen, schiebt Kulissen hin und her wie in einer Puppenstube. Doch die Vorsitzende des Richard-Wagner-Verbandes hat ihr Ziel fest im Blick.
Der Schirmherr kommt aus Bayreuth:
Wolfgang Wagner und Jutta Winckler
2002 in Minden. FOTO: URSULA KOCH
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Zum zweiten Mal nach 2002 wagt sich die 56-Jährige an ein ganz großes Werk, produziert mit dem britischen Starregisseur Keith Warner im Mindener Theater: „Tannhäuser und der Sängerkrieg auf der Wartburg". Am 21. Oktober ist Premiere, fast auf den Tag 160 Jahre nach der Dresdener Uraufführung.
Wagner hören und lieben, das Verständnis für sein Oeuvre vertiefen, musikalischen Nachwuchs unterstützen und das alles eher im Stillen - darauf verstehen sich die rund 50 deutschen und etwa 90 internationalen Wagner-Verbände zu allererst. So auch in Minden, wo sich 1912
die Wagnerianer zusammenschlössen. Aber Opern auf die Bühne bringen, des Meisters Kompositionen selbst inszenieren zu lassen, das ist eine Rarität in der weltweiten Gemeinde seiner Getreuen.
Als der Mindener Wagner-Zirkel sein 90-Jähriges feierte, wollte es Jutta Winckler nicht bei Festkonzert und Laudationes belassen. Ein „Event" sollte her. Und es wurde eines. Zur Premiere des „Fliegenden Holländer" reiste gar Bayreuths Patriarch Wolfgang Wagner als Schirmherr an die Weser, es gab anerkennende Kritiken in den großen Feuilletons des Landes.
Gute Verbindungen zum Grünen Hügel haben im Haus Winckler und beim örtlichen Wagner-Klub Tradition. Die erste Vereinsvorsitzende, immerhin ein halbes Jahrhundert im Amt, war persönlicher Gast der Villa Wahnfried; Richard Wagners Enkelin Verena Lafferentz ist Ehrenmitglied der Mindener und schon als junges Mädchen („Die meisten Leute sind durch ihre Eltern zu Wagner gekommen") lernte Jutta Winckler mit ihren Geschwistern das harte Gestühl im Festspielhaus kennen.
Die Wagner-Begeisterung war geweckt („Ich fand die Musik ganz toll. Sie geht unter die Haut, dass es einen schüttelt") und ließ manche Unbill leicht ertragen. Für die Mutter, Schatzmeisterin des Vereins, radelte sie zu den Mitgliedern, kassierte die Beiträge. Und während der Übertragung in den Festspielwochen saß man zu Hause vorm Radio, blieb die Küche kalt. Daran erinnert sie sich mit Schmunzeln: „Die Frauen sind eben die Kulturträger. Das hat schon Richard Wagner gesagt."
Ergo war die Führung der Mindener Wagner-Verehrer - neben Bielefeld der einzige Verbund in OWL - stets weiblich. 1999 rückte Winckler an die Spitze des Vereins mit seinen inzwischen 220 Mitgliedern („Wir sind für jeden offen") und machte sich ans Werk.
Die ungewöhnliche Idee einer Operninszenierung in einem Stadttheater ohne eigenes Ensemble fand in der Kulturszene der Provinz offene Ohren. Mit
der Nord westdeutschen Philharmonie und dem Mindener Intendanten als Partner wagte sich die promovierte Anwältin 2002 an ein ökonomisch wie dramaturgisch und technisch gewagtes Unterfangen. Auf der Minibühne der spätbarocken, fast 100 Jahre alten Spielstätte, musste auch - mangels anderer Möglichkeiten - das Orchester platziert werden. Zu realisieren war der „Holländer" ohne öffentliche Mittel, allein dank Sponsoren. „Ich habe nicht geahnt, was auf mich zukommt", sagt die vierfache Mutter, die für ihr Projekt gleich die ganze Familie einspannte. Ein halbes Dutzend Mitwirkende wurde im eigenen Heim einquartiert.
So wird es wieder sein, wenn sich der Vorhang zum „Tannhäuser" hebt. Und abermals ist dieses Jahr - im Sommer beginnen die Proben - der Urlaub gestrichen für die Wagnerianerin, deren Energie und Entschlossenheit auf der Bühne Respekt erheischt: „Laut Vertrag bin ich ja die Produzentin". Das bedeutet Verhandlungen, Verantwortung und Finanzrisiko.
Noch klafft ein Loch im Etat („Ich werde wieder betteln gehen" ), sind Details mit dem Bayreuth erfahrenen („Lohengrin" 1999) Keith Warner („Das Mindener Theater ist eine besondere Herausforderung") zu klären, muss der Chor aus Sofia betreut, Personal für allerlei Einsätze requiriert werden. 500 weißgewandete Damen und Herren etwa sollen Ende Juli im Theater zur Stelle sein. Sie werden gefilmt, später zu sehen als Einspielung im „Tannhäuser", 2. Aufzug, Einzug der Gäste auf der Wartburg. So will es Regisseur Warner, der in Minden schon für die Titelpartien vorsingen ließ und unerbittlich urteilte.
Das alles schreckt die Produzentin nicht. „Ich habe beim „Holländer“ viel gelernt. Vor allem, dass man auch auf einer Sechs-Meter-Bühne großes Musiktheater machen kann". Schließlich sah sie durch die Arbeit ihre Erfahrung und Einstellung bestätigt: „Mit Wagner ist es nie langweilig."
Sie hebt das Glas: „Trinken wir auf den Tannhäuser'."
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